Medizinische Klinik 2 - Kardiologie und Angiologie - Jahresbericht 2020

14 | Jahresbericht 2020 | Medizinische Klinik 2 Wie hat COVID-19 Ihre alltägliche Arbeit beein- flusst? Es waren viel mehr Sachfragen in noch kürzerer Zeit zu entscheiden. Da kann und darf man nicht jede Entscheidung auf die Goldwaage legen. Am schwie- rigsten war es aber, alle „mitzunehmen“. Denn es gibt zu ängstliche und zu forsche Mitarbeiter. Gerade die Ängste der Mitarbeiter vor einer Infektion muss man sehr ernst nehmen. Wie gut war das Universitätsklinikum vorbereitet? Was waren die tiefgreifendsten Maßnahmen? Ehrlich gesagt, waren wir nicht wirklich vorbereitet. Mit einer COVID-19 Pandemie, die sich zu einer Dauerwelle auswächst, war nämlich nicht zu rech- nen. Tiefgreifende Veränderungen haben natürlich die Schaffung von neuen Intensivstationen und die massive Umverteilung von Ärzten und Pflegekräften mit sich gebracht. Die Rationierung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) ist ein weiterer Aspekt, mit dem man sich nicht nur Freunde macht. Wenn man aber nicht weiß, wie lange die Pandemie anhält und ob überhaupt noch Schutzmasken selbst zu völlig überteuerten Preisen eingekauft werden können, darf man nicht alles verteilen, was man im Lager hat. Wie haben Sie die „Kooperationswilligkeit“ der Mitarbeiter in den Kliniken erlebt? Eine Pandemie schweißt zusammen, das ist eine tolle Erfahrung. Beispielsweise hat sich eine Gruppe von rund 30 Freiwilligen gefunden, die eine Schulung zur Patientenaufnahme durchgemacht haben. Diese sollten vor Ort in den COVID-Stationen auch nachts die Patienten in den EDV-Systemen des Uniklinikums aufnehmen, sofern wir „italienische Verhältnisse“ bekommen. Denn ohne Aufnahme des Patienten kann man in einem digitalen Krankenhaus nicht einmal ein Blutbild anfordern. Wie stark war die Unterstützung seitens der Politik, seitens der Bevölkerung ausgeprägt? Es gab zahlreiche Unterstützungsangebote aus der Bevölkerung, z. B. auch als „Pflegekraft“ auszuhelfen. Das war sehr gut gemeint, aber nicht zielführend. Denn die Pflege hat nichts mit Romantik und Ehrenamt zu tun, schon gar nicht auf einer Intensivstation. Eine Intensivpflegekraft hat nicht nur eine 3-jährige Ausbil- Dr. jur. Albrecht Bender Kaufmännischer Direktor Universitätsklinikum Erlangen Interview: „Wie erlebten Sie den Beginn der COVID-19 Pandemie?“ dung absolviert, sondern anschließend auch eine sehr anspruchsvolle Fachweiterbildung. Deren Aufgaben können nicht durch Freiwillige ersetzt werden, selbst wenn es Medizinstudenten sind. Die große Bereitschaft, freiwillig zu helfen, hat mich aber tief beeindruckt. Wie konnten Sie der Verunsicherung bei den Mitarbeitern entgegenwirken? Mit viel Transparenz und sachlichen Informationen. Unsere Corona-Seiten im Mitarbeiterportal, die von der Pressestelle aufbereitet wurden, waren in dieser Zeit sicherlich die mit Abstand meist besuchten Seiten des Uniklinikums. Was können wir aus der aktuellen Situation für künftige Pandemien lernen? Krisenmanagement verlangt Augenmaß. Nehmen wir z. B. die Forderung der Politik, die Zahl der Beatmungs- betten kurzfristig zu verdoppeln. Das war und ist illu- sorisch, denn es geht nicht nur um Bettgestelle, son- dern zusätzlich sind Beatmungsgeräte, Monitoringan- lagen, Infusionstechnik, Dialysegeräte und gerade bei COVID-19 mobile Röntgengeräte notwendig. Aber selbst wenn diese Güter vom Himmel fielen, hätten wir Probleme, das letzte Beatmungsbett mit qualifiziertem ärztlichen und pflegerischen Personal betreiben zu können. Eine Pandemie ist ein Katastrophenfall, in dem wir alle an unsere Grenzen stoßen. Auch wenn es banal klingt, auf eine Pandemie kann und muss man sich rechtzeitig in „guten“ Tagen vorbereiten. Wie haben Sie die Zeit im privaten Bereich erlebt? Ich war mit meiner Frau noch nie so oft im Wald spazieren wie beim ersten Lockdown. Was war das Schwierigste für Sie? Ein gewisses Gefühl der Hilflosigkeit. Exemplarisch möchte ich nur die fehlenden Schläuche für Beat- mungsgeräte nennen, die bei Intensivpatienten sehr häufig gewechselt werden müssen. Ich werde den Moment nicht vergessen, als mir von meinen Mitar- beitern an einem Mittwochnachmittag eröffnet wurde, der Lagerbestand an Beatmungsschläuchen sei bei null. Zum Glück hatten wir noch im Zentralsystem nicht erfasste Bestände auf den Intensivstationen und es ist mir schließlich auch gelungen, den Herstel- ler zu einer schnellen Nachlieferung zu motivieren.

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